Freitag, 1. August 2014

Der gefährliche Fitnesswahn auf Instagram

Ich möchte heute mal über etwas schreiben, was mir am Herzen liegt und mich schon seit Monaten beschäftigt. Dem Fitnesswahn auf Instagram.
Ich nehme an, dass die meisten meiner Leser wissen, wovon ich spreche. Wenn nicht, gebt man die Hashtags #fitness #fitspo #fitfam #fitgirls #eatclean usw. bei Instagram ein und schaut euch die Fotos an. 
Es handelt sich hierbei um Hashtags, die unter Fotos benutzt werden, die einen besonders fitness- und gesundheitsorientierten Lebensstil zeigen. Es werden besonders schön angerichtete gesunde Mahlzeiten, angespannten Muskeln oder Fitnessstudio-Selfies getaggt.
Es gibt einige Accounts, die als Paradebeispiel für den folgenden Text dienen würden, aber ich möchte hier niemanden an den Pranger stellen, denn im Endeffekt weiß ich nicht, welcher Mensch sich hinter diesen Accounts verbirgt. Deswegen möchte ich darüber schreiben, wie die Präsentation dieser Menschen (auf mich) wirkt und mir nicht anmaßen zu beschreiben, wer diese Menschen tatsächlich sind.

Ich kann nicht genau sagen, seit wann es die ganzen Fit-Instagram Accounts gibt, aber das erste Mal ist mir im Frühjahr/Sommer 2013 aufgefallen, dass das alles in eine falsche Richtung geht. Der ausschlaggebende Grund für mich, dieses Phänomen als Trend zu bezeichnen, ist, dass immer mehr Instagramnutzer sich dem Sport und der gesunden Ernährung gewidmet haben, die es vorher überhaupt nicht thematisiert haben. Menschen, die immer mit ihrer Lebensweise zufrieden zu sein schienen, fingen auf einmal an von 0 auf 100 5 Mal die Woche Sport zu machen und alle Kohlenhydrate aus ihrer Ernährung zu streichen. 
Sich mit seiner Gesundheit und seinem Körper zu beschäftigen ist per se keine schlechte Angewohnheit, allerdings kann sich die Beschäftigung mit diesen Dingen auch negativ auf den Rest des alltäglichen Lebens auswirken und zwanghaft werden. Man verliert schneller das Gefühl dafür, was "normal" ist, als man denkt.

Das Problem sehe ich vor allem darin, dass auf jedem Account immer nur Ausschnitte eines Lebens gezeigt werden und somit ein ganzes Bild im Kopf der Anderen entsteht, das nicht der Realität entspricht. Das kann negative Auswirkungen auf die Psyche der teilweise noch sehr jungen Nutzer haben.
Es gab Zeiten, da habe ich mich durch meine Instagram-Timeline gescrollt und nur Salate, Proteinshakes, Chiapuddings oder Haferflocken gesehen. Oder Fotos von weiblichen Sixpacks. Diese kleinen Schnippsel aus dem Leben anderer kreieren im Kopf ein großes Ganzes, was als Realität wahrgenommen wird. Irgendwann glaubt man wirklich, dass es Menschen gibt, die morgens mit einem Lächeln aufstehen, sich nur von Pflanzen ernähren, jeden Tag 1-2 Stunden Sport machen, abends mit einem Sixpack ins Bett gehen und das jeden Tag ohne jegliche Problem wiederholen. Doch so ist das nicht. Jeder hat seine Schwachstelle, doch für Schwachstellen ist kein Platz auf Instagram.
Instagram hat sich gerade in Bezug auf die Ästhetik der Bilder stark verändert. Während früher eher ein paar qualitiativ schlechte Schnappschüsse hochgeladen wurden, werden jetzt teilweise Fotos benutzt, die eigentlich mit einer Digitalen Spiegelreflexkamera gemacht wurden. 50 Fotos werden probeweise gemacht und nur eins davon wird hochgeladen. Es gibt Posen, in denen die Beine und der Bauch besonders schlank aussehen, zusätzlich zu den Filtern, die die Haare voller und die Haut glatter wirken lassen. Es ist nichts so spontan wie es aussieht.
Natürlich umgibt man sich lieber mit glücklichen, attraktiven und freundlichen Menschen als mit Nörglern, die einen runterziehen. Die Gefahr ist aber, dass man vergisst, dass man das falsche Bild irgendwann auf sich anwendet. Und ein schlechtes Gewissen bekommt, wenn man sich mal eine Pizza gönnt oder eine Woche überhaupt keine Lust aufs Training hat. Man darf sich nicht mit Anderen messen, vor allem nicht mit denen, die man nicht richtig kennt (auch wenn man jeden Tag 5 Bilder von ihnen sieht, kennt man sie nicht!). Man sollte sich selbst als eigenen Maßstab haben.

Gesundheitlich gefährlich wird es auch dann, wenn bestimmte Ernährungspläne oder Nährstoffergänzungen angepriesen werden, die auf keiner ärztlich fundierten Grundlage basieren. Oder Essensportionen als optimal anerkannt werden, von denen nicht mal Kleinkinder satt werden können.

In letzter Zeit sind viele dieser sogenannten Fitgirls zu richtigen Stars mutiert. Einige Mädels haben +/-50.000 Follower und sind noch nicht mal volljährig. Sie werden von vielen Followern verehrt, als hätten sie höchstpersönlich das Rad neu erfunden und alles, was sie tun, wird positiv kommentiert und gleich nachgeahmt. Unabhängig davon, ob es zum eigenen Lebensstil/Körper passt oder nicht.
Genauso wie viele Blogger oder YouTuber, werden diese Fitgirls von Unternehmen gesponsort, um deren Fitnessprodukte und Sportkleidung zu vermarkten. Allein diese Tatsache zeigt in meinen Augen, dass schon Außenstehende erkannt haben, dass es hier nicht mehr um das nette Mädchen von Nebenan geht, das leidenschaftlich ihre eigenen Tipps teilt, sondern um eine Plattform zur Produktplatzierung. Und wir wissen alle, dass gerade die Produkte, die beworben werden, nicht die essentiell wichtigen Dinge im leben abbilden (oder gibt es Werbung für Freundschaft, Hilfsbereitschaft usw.?).

Ich könnte noch viele, viele weitere Zeilen schreiben, aber ich würde mich nur wiederholen. Ich möchte einfach darauf aufmerksam machen, dass diese Ausschnitte auf Instagram niciht als gesellschaftliches Ideal angesehen werden sollten.
Wenn Sport und gesunde Ernährung irgendwann etwas mit Schuldgefühlen und Bestrafung oder Belohnung zu tun hat, ist die Grenze überschritten und man ist auf dem besten Weg in eine Essstörung. Dabei sollte man nicht vergessen, dass es neben der "klassischen" Bulimie und Magersucht auch viele andere Formen gibt, die nicht so bekannt sind und dennoch einer Behandlung bedürfen.

Bitte passt auf euch auf!